Liegenschaft Nettlingen
Besitz-Herrschaft
Beschreibung
„Von alters her besaßen die von Saldern (zur Familie siehe Henneckenrode), deren Schloßbau aus dem 16. Jahrhundert noch steht, in Neulingen Eigengut. Sie faßten weiter Fuß, als sie von der Benediktinerabtei St. Michael in Hildesheim schon im frühen 12. Jahrhundert den Zehnten als ein Lehen empfingen. Seit 1398 ist ein Zehnthof nachgewiesen, in einer Zeit, als sie das Zehntrecht vom Herzog von Braunschweig-Lüneburg empfingen. Ihm verdankten sie hier auch einige Hufen Land. Der Fürstbischof von Hildesheim gab ihnen die einstigen Lehen der Grafen von Wohldenberg. Dazu gehörte beispielsweise die Aufsicht über den südlich gelegenen Wald, das Vorholz, woraufhin sie wichtige Nutzungsrechte in diesem Revier innehatten. Zwei Wassermühlen und Berechtigungen an mehreren Meier-höfen indessen waren Eigenbesitz. Von einem Rittersitz der Salderns kann man aber erst sprechen, nachdem sie in den 1550er Jahren große Teile von Grundbesitz der ausgestorbenen Familie von Nettlingen an sich gebracht hatten. Dabei übernahmen sie auch einen »Wallhof«, den Vorläufer des Schlosses. Auf heimfallende Lehen hatte Burchard von Saldern den Zugriff, weil Herzog Heinrich der Jüngere nach der Hildesheimer Stiftsfehde ihm sehr verpflichtet war. Burchards Witwe konnte aber auch den Abt von St. Michael gewinnen, seinen bedeutenden Lehnsanteil am Besitz der von Nettlingen ebenfalls hinzuzufügen, obwohl er ja zu den Hauptgeschädigten der Stiftsfehde gehörte. Das gute Handgeld erwirkte seine Zustimmung. So wurden 1555 Burchards Söhne gemeinsam mit Nettlingen belehnt.
Wohl in jungen Jahren schon baute Curt von Saldern (1537-1603), Burchards dritter Sohn, das Schloß. Es dürfte vor 1570 entstanden sein. Dafür spricht nicht nur die festungsähnliche, schmucklose Ausführung, sondern auch die Notwendigkeit, vom Vater ererbte und im Kriegsdienst erworbene Barmittel anzulegen. Außer zu bauen, gab es damals sonst kaum Möglichkeiten, durch Investitionen Werte von Dauer zu schaffen. Dort, wo der Wallhof an sein Eigenland stieß, wählte er den Platz für den mächtigen Zweiflügelbau, der also teilweise auf Allodialgut und teilweise auf Lehnsland stand. So konnte er je nach Lage der Dinge sich entweder auf die ihm so wichtige Autonomie berufen, oder auf den Lehnsschutz des Abtes pochen. Man muß darin eine besondere Vorsichtsmaßnahme sehen. Denn Nettlingen lag im Amt Steuerwald, also im Kleinen Stift. Kurzfristig hatte es Saldern mit dem evangelischen Herzog von Holstein-Gottorf als Pfandherrn des Amtes zu tun. Dieser führte 1556 die Reformation ein, der sich Saldern spätestens jetzt anschloß, noch bevor nämlich Steuerwald von Bischof Burchard für das Kleine Stift eingelöst war. Daß der Schloßherr auch eine Kapelle einrichtete, muß ebenfalls als eine Vorsichtsmaßnahme gesehen werden. Denn dies geschah offensichtlich für den Fall, daß der Bischof, Patron der Pfarrkirche, eine Rekatho-lisierung durchsetzen würde. Dann jedenfalls wollte der Herr auf Neulingen von der Pfarrkirche unabhängig sein. Erstaunlicherweise überließ ihm der Fürstbischof pfandweise das Niedergericht im Dorf mit den Diensten der Bauern. Dies erleichterte die Vermarktung des Getreides in einer Zeit steigender Kornpreise.
Das nach außen abweisende, massive Schloß besteht aus zwei Flügeln, die rechtwinklig angeordnet und im Binnenwinkel durch einen Treppenturm zugänglich sind. Es war durch Graben, Wall und Mauer abgeschirmt. Zusätzlich war es im Keller mit Schießkammern ausgestattet. Zugunsten der Treffsicherheit sind im Mauerwerk bemerkenswerterweise schräggerichtete Schießlöcher eingelassen Der Schloßherr mochte sich in seinem Schutzbedürfnis nicht auf die Gerichte allein verlassen, die im 16. Jahrhundert das Fehdewesen ablösten. Schließlich lag Neulingen an der Grenze des Kleines Stiftes zum Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel, und zwar an einer wichtigen Straße, die von Minden nach Halberstadt führte. Bei keinem anderen Hildesheimischen Rittersitz, so ist festzuhalten, läßt sich eine so wohlkalkulierte Abwehr auf allen Ebenen erkennen wie hier. So erscheint Curt von Saldern auch als einer der hartnäckigsten Opponenten gegen die Regierung von Herzog Heinrich Julius, dessen Absolutismus den Adel verunsicherte (siehe Henneckenrode). Als Curt gestorben war, wurden seine Erben, sein Bruder Hildebrand und seine Neffen aus Equord, vom Herzog dazu gezwungen, auch den Allodialbesitz von ihm als Lehen zu empfangen. Damit war ein wichtiges Stück Eigenständigkeit dahin.
Familienstreit und Finanzbedarf führten 1605 zur Verpfändung, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts währte. Als Kreditgeber trat zunächst die Brauergilde in Hildesheim auf. Nur zu gerne ergriff sie die Gelegenheit, die Konkurrenz der Saldernschen Braupfanne auszuschalten. 1613 übernahm Arnd von Wobersnow die Pfandschaft. Nach und nach verzichteten sämtliche von Saldern, die noch im Hildesheimischen wohnten, auf ihr Rückkaufsrecht, nicht jedoch der Plattenbur-ger Familienzweig.
Wobersnow hatte auch schon das Nachbargut Wendhausen in der Hand (siehe dort) und erwarb Hastenbeck bei Hameln, wo er hauptsächlich wohnte. Als ihm am Wolfenbütteler Hof 1621 der Prozeß drohte, floh er ins Kleine Stift. Kurz darauf starb er, hatte aber rechtzeitig seine unmündigen Kinder in die Obhut des Domkapitels gegeben, um sie dem Zugriff des Wolfenbütteler Hofes mit seinem Anspruch auf Schadensersatz zu entziehen. Sie wurden katholisch und standen fortan unter der Vormundschaft der Domherren Wilhelm von Hoerde und Arnold von Hoensbroech. Seitdem befand sich der Rittersitz Nettlingen in der Hand einer katholischen Adelsfamilie. Der Abt von St. Michael, der beim Besitzwechsel um seine Einwilligung als Lehnsherr nicht gefragt worden war, stützte nun natürlich die Familie
Als Franz Johann Rudolf von Wobersnow, Drost zu Steuerwald, 1722. als Letzter seiner Familie starb und Töchter hinterließ, belehnte der Abt Friedrich Edmund von Bennigsen, Drosten zu Gronau (siehe dort). Dieser heiratete praktischerweise eine der Töchter, wobei der Abt selbst das Paar in der Nettlinger Schloßkapelle traute. Seitdem waren die von Bennigsen die Herren auf Nettlingen. Zu dieser Zeit lief längst ein Prozeß der von Saldern auf Plattenburg, welche Anspruch auf Nett-lingen erhoben und die Pfandschaft einlösen wollten. In der Rittermatrikel von 1731 sind noch die Wobersnowschen Erben als Eigentümer angegeben, obwohl das „..–Flofgericht in Hildesheim zugunsten der Salderns entschieden hatte. Die Streitsache zog sich noch lange hin. Nettlingen war nun einmal mit gut 140 ha Land, überwiegend Acker (1769), eins der großen hildesheimischen Güter, das man nicht einfach aufgab. Am Ende des 18. Jahrhunderts lag es wieder in Saldernscher Hand. Doch nur kurz, denn im Mai 1802 kaufte Theodor Joseph Freiherr von Wrede, seit 1759 Domkapitular, dann Domkeller in Hildesheim, das Gut. Als der König von Preußen im Sommer 1802 das Hochstift besetzen ließ, ernannte er den erfahrenen Wrede zum hildesheimischen Regierungspräsidenten.“ (von Reden-Dohna, 1999, S. 302ff)
Auf der Internetseite der Gemeinde Söhlde steht Folgendes geschrieben:
“Größere Bedeutung für Nettlingen gewann das Rittergeschlecht von Saldern. Es wurde 1102 vom Michaeliskloster mit dem Zehnten belehnt. Im 14. Jahrhundert besaß das Geschlecht dort Lehnsgüter von den Herzögen von Braunschweig und von den Hildesheimer Bischöfen. Die Grafen von Wohldenberg hatten um 1325 die Ritter mit der Gerichtsbarkeit über das Dorf und mit der Holzgrafschaft über das Vorholz belehnt. Um 1570 erbaute Kurt von Saldern das Nettlinger Schloss. Über den Verkauf desselben nahm 1605 die Brauergilde in Hildesheim Verhandlungen auf, die 1611 zum Abschluss kamen.”
Dokumente
Urkunden finden sich in den Vereinigten Westfälischen Adelsarchiven: Die 15 Urkunden, die aus der Mitte des 18. bis zur Mitte des 19. Jh. stammen, dokumentieren die Lehnsverhältnisse zum Königreich Hannover (von Saldern, von Wrede).
Der folgende Text „Nettlingen und die von Salder“ von Fr. Spanuth wurde im April 2013 von Helga von Saldern geborene Freiin von Bodenhausen unter Übernahme der Rechtschreibung des Originaltextes digital erfasst.
Spanuth_1970_Nettlingen_und_die_von_Salder.pdf